In einem interessanten Artikel macht sich NYT-Kolumnist Ron Lieber Gedanken über die Meinungsäußerungen von Patienten auf Bewertungsportalen in den USA.
Nun kann man das amerikanische natürlich nicht mit dem deutschen Gesundheitssystem vergleichen. Aber die Conclusio, zu der Ron Lieber kommt, passt durchaus auch zu deutschen Bewertungsportalen: No one of us is as smart as all of us – Keiner von uns ist so schlau wie wir alle zusammen. Aber der Reihe nach.
Im Gegensatz zu anderen Branchen wie z.B. Gastronomie und Tourismus sei der Bereich Medizin noch recht dünn aufgestellt, so Lieber. Doch grade hier gäbe es eine hohe Nachfrage nach Patientenmeinungen und Bewertungen, denn eine schlechte Pizza ist schnell vergessen und schnell verziehen – eine falsche Behandlung oder eine unnötige OP verändern häufig das ganze Leben. Infos, Tipps und Erfahrungsberichte können hier (über)lebenswichtig werden.
In den USA gab es schon sehr früh Bewertungsportale für Ärzte, doch die Betreiber der Bewertungsseiten haben häufig einen Großteil ihre Zeit mit Drohungen, Vorladungen oder Klagen verbracht. Und einige Ärzte in den USA haben es geschafft, ihren Patienten ganz den Mund zu verbieten, so Ron Lieber in seinem Artikel. Sie haben sich entsprechende Schweigeerklärungen für Bewertungsportale unterzeichnen lassen und dafür im Gegenzug mehr ärztliche Leistung zugesagt. Diese Abmachung existiert mittlerweile glücklicherweise nicht mehr und auch die Einstellungen haben sich scheinbar mittlerweile geändert. Denn derzeit werden einige Patienten nach ihrem Arztbesuch sogar aktiv um eine Bewertung gebeten. Entsprechene medizinische Vereinigungen sorgen dann für die Verteilung der Bewertungen auf den entsprechenden Plattformen.
Doch die Zurückhaltung der Patienten insgesamt, eine Bewertung über einen Arzt abzugeben, ist scheinbar ungebrochen. In der Kolumne gibt Lieber unter anderem die Angst der Patienten vor Benachteiligung an. In kleinen Städten z.B. könnte sich auch bei anonymen Bewertungen schnell erschließen, von wem eine negative Bewertung stammt, die Angst der Bewerter vor Repressalien steigt.
Doch nach den Recherchen von Ron Lieber haben Patienten gar nicht immer das Bedürfnis, sich überhaupt kritisch mit den Maßnahmen ihres Arztes auseinander zu setzen. Als Beispiel führt er an, dass nur 20% das vom Arzt verschriebene Medikament gegen ein günstigeres Generikum eintauschen würden, auch wenn nachweislich keine Gesundheitsrisiko besteht. 80% bleiben bei dem Originalmedikament, weil ihr Arzt es ihnen so gesagt hat.
Was soll man nun also tun, um dieses Dilemma zu lösen?
Der letzte Satz in seiner Kolumne ist der entscheidende: No one of us is as smart as all of us. Je mehr Patienten also ihre persönliche Meinung zusammentragen und dabei nicht nur den Arzt sondern auch sich selber beschreiben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle gewinnen und den für sich persönlich passenden Arzt ihres Vertrauens herausfinden können.